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Software mit harten Konsequenzen

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Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) – wie PCs, Server oder Datennetze – betrachtet man seit einigen Jahren verstärkt unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit. «Green IT» oder allgemeiner «Green ICT» bezeichnen Massnahmen, die den Energieverbrauch der Hardware direkt senken sollen. Dies geschieht etwa, indem man Energieverluste vermeidet und dafür sorgt, dass ein möglichst grosser Teil der eingesetzten Energie auch für die eigentliche ICT-Leistung gebraucht wird. Der Einfluss der Software auf den Energieverbrauch wird hingegen noch wenig betrachtet – obwohl dieser ebenfalls eine wesentliche Rolle spielt. 

Selbst die leistungsfähigsten PCs können wir durch die Berechnung realistischer Bilder in Spielen kräftig ins «Schwitzen» bringen. Die Wärme beziehungsweise das verstärkte Lüftergeräusch des Computers sind Zeichen für den erhöhten Energieverbrauch. Dabei kann eine High-End-Grafikkarte weit mehr als 200 Watt aufnehmen, teilweise sogar bis zu 500 Watt. Aber auch während der durchschnittlichen Nutzung des Computers lassen sich erstaunliche Unterschiede finden. Ein technischer Bericht1 zeigt, dass die Leistungsaufnahme eines Desktop-PCs für die Darstellung von Web-Werbung durchschnittlich um 2.5 Watt steigt, beziehungsweise bei Nutzung von Werbeblockern um 2.5 Watt sinkt.

Im Einzelfall erscheint dies nicht sonderlich viel, wird in der Summe aber relevant: Gemäss den Seiten des Bundesamtes für Statistik hatten 2009 etwa 1.9 Millionen Schweizer Haushalte einen Desktop-PC (57% von rund 3.4 Millionen Haushalten). Wenn wir annehmen, dass diese PCs für ein durchschnittliches Surfverhalten genutzt wurden, dann hätte man allein durch die Verwendung von Werbeblockern in der Summe die Leistungsaufnahme um mehr als 4.75 Megawatt absenken können.

Software kann aber auch materielle Effekte auf die Umwelt haben. Neue Versionen von Softwarelösungen können neue oder spezielle Hardware verlangen (wie zum Beispiel Grafikkarten). Die Produktion von Hardware hat viele negative Nebeneffekte auf die Umwelt, ganz zu schweigen von der Behandlung des Elektronikschrotts (vergleiche auch Zitat2).

Software kann aber auch helfen, in anderen Bereichen Ressourcen zu sparen («Green by ICT»). Dazu gehören beispielsweise Logistikanwendungen, die Transportwege optimieren und damit den CO₂-Ausstoss verringern helfen, oder Anwendungen, die den Energieverbrauch im Gebäudemanagement reduzieren. Der grösste Einfluss der Software rührt daher, dass wir mit ihr Prozesse ersetzen können. Energieintensive Prozesse in Produktion oder Konsum können optimiert werden. Noch weiter geht aber die Entmaterialisierung, also die Einsparung von Material und Transport durch das Ersetzen von Objekten durch digitale Daten. Weber und Kollegen3 zeigen beispielsweise, dass der Kauf von Musik in digitaler Form im Vergleich zur Auslieferung von CDs zum Kunden bis zu 80% weniger Energieverbrauch und CO₂-Emissionen verursacht – es ist eben ressourcenschonender, Bits und Bytes statt Atome und Moleküle zu transportieren.

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1 Simons, R.J.G and Pras, A. (2010) The Hidden Energy Cost of Web Advertising. Technical Report TR-CTIT-10-24, Centre for Telematics and Information Technology University of Twente, Enschede. ISSN 1381-3625

2 Zitat zur Einführung von Windows Vista „Future archaeologists will be able to identify a ‚Vista Upgrade Layer‘ when they go through our landfill sites.“ (UK Green Party, 2007)

3 Christopher L. Weber, Jonathan G. Koomey, and H. Scott Matthews (2009) “The Energy and Climate Change Impacts of Different Music Delivery Methods”, August 2009.

Zum Autor

Dr. Wolfgang Lohmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Informatik und Nachhaltigkeit, Technologie und Gesellschaft der Empa.

 


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